111
7. „0 Bruder, meine Fehde, sie lastet schwer auf mir;
Hier liege ich zu Füssen, Verzeihung flehend, dir;
Was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein,
Vergieb, o strenger Kaiser, vergieb, o Bruder mein!“
8. Doch strenge blickt der Kaiser den sünd'gen Bruder an :
„Zweimal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortan!
Die Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt,
Nach dreier Tage Wechsel, da fallt dein schuldig Haupt.“
9. Bleich werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich,
Und Stille herrscht im Kreise, gleich wie im Todtenreich;
Man hatte mögen hören jetzt wohl ein fallend Laub,
Denn Keiner wagt zu wehren dem Löwen seinen Raub.
10. Da hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt;
Das ew’ge Buch der Bücher, das hält er in der Hand;
Er liest mit lautem Munde der heil’gen Worte Klang,
Dass es in Aller Herzen wie Gottes Stimme drang:
11. „Und Petrus sprach zum Meister: Nicht so? genügt ich hab,
„Wenn ich dem sünd’gen Bruder schon sieben Mal vergab?“
Doch Jesus ihm antwortet: ,,,,Nicht sieben Mal vergieb,
„ „Nein, siebenzig Mal sieben, das ist dem Vater lieb!““
12. Da schmilzt des Kaisers Strenge in Thränen unbewusst,
Er hebt ihn auf, den Bruder, er drückt ihn an die Brust;
Ein lauter Ruf der Freude ist jubelnd rings erwacht,
Nie schöner ward begangen die h eil ge Weihenacht.
41. Die Areumge.
Fromme Dankbarkeit gegen den Heiland der Welt hatte schon
in früheren Zeiten viele Christen veranlaßt, diejenigen heiligen Orte
zu besuchen, wo der große Lehrer und Erlöser der Menschheit ge-
lebt, gelehrt und gelitten hatte, wo der Sohn Gottes selbst in mensch-
licher Hülle umherwandelte, um Allen wohl zu thun, Alle selig
zu machen. So lange Palästina unter der Herrschaft der Oströmer
und Araber stand, konnten Wallfahrten nach dem heiligen Grabe
ungehindert vollzogen werden; als aber Syrien mit dem gelobten
Lande unter die Herrschaft der Türken kam, wurden die Pilger
grausam mißhandelt, und viele derselben starben vor den Thoren der
heiligen Stadt vor Hunger und Elend.
Von solchen Iammerseenen tief ergriffen, zog Peter, ein
französischer Priester und Einsiedler, nach Europa zurück und schil-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_bleich Heinrich Peter
114
immer fort, und Niemand vermochte ihm Einhalt zu thun, bis die
Sieger des Mordens müde waren.
Barfuß und mit einem Pilgerhemde angethan begab sich Gott-
fried zum heiligen Grabe, küßte weinend die Stelle, wo der Erlöser
geruht hatte und überließ sich der inbrünstigsten Andacht. Er wurde
hierauf zum Könige von Jerusalem erwählt, allein der fromme
Held wollte keine Königskrone tragen, wo der Heiland der Welt
eine Dornenkrone getragen hatte und nannte sich voll ächtchrist-
licher Demuth nur „Beschützer des heiligen Grabes."
Die Türken ließen jedoch den Christen keine Ruhe und oft
kamen sie in große Noth. Von Europa aus zogen fast alljährlich
größere und kleinere Schaaren, theils Pilger, theils Krieger, nach
Jerusalem und diese ungerechnet zählt man sieben große Äreuzzüge.
Da aber unter den Kreuzheeren und ihren Anführern meistens Zwie-
tracht herrschte, so giengen die errungenen Vortheile wieder verloren,
und das Grab des Erlösers sammt dem heiligen Lande blieb nach
dem letzten Kreuzzuge wieder in den Händen der Ungläubigen.
42. Friedrich Barbarossa.
1152—1190.
0 schöne Zeit der Väter! wo Rothbart einst regiert,
Wo Deutschlands Schwert und Wage sein Heldenarm geführt;
Da war vom Vater Rheine bis an der Eider Sand,
Vom Belt bis zu den Alpen Ein deutsches Vaterland.
Da war der deutsche Name gefürchtet und geehrt;
Da galt die deutsche Treue, da schlug das deutsche Schwert,
Da beugten sich die Slaven vor Deutschlands Kaiserthron,
Da strahlte nah und ferne die deutsche Kaiserkron’.
Kaiser Konrad Iii., aus dem berühmten schwäbischen Geschlechte
der H o h e n st a u f e n, ein entschlossener, tapferer und biederer Mann,
führte das zweite Kreuzheer nach Palästina, konnte aber aller An-
strengungen ungeachtet nur wenig ausrichten und kehrte endlich miß-
muthig hierüber nach Europa zurück. Bald darauf starb er, nach-
dem er noch den deutschen Fürsten seinen Neffen Friedrich, der wegen
seines röthlichen Bartes „Rothbart" und von den Italienern
„Barbarossa" genannt wurde, zu seinem Nachfolger empfohlen
hatte. Friedrich zählte damals dreißig Jahre; Heldenblut floß in
seinen Adern und röthete sein edelgebildetes Antlitz, das gelbe Locken
umwallten; die Hoheit seiner Gestalt, das blitzende Feuer seiner
Angen, die Kraft der Stimme und der stolze Gang verkündeten den
gebornen Herrscher. Groß, voll eiserner Willenskraft und scharfen
Blickes war auch sein Geist. Dieser herrliche Held war nun deutscher
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Demuth Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Konrad_Iii Konrad Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Europa Jerusalem Deutschlands Rheine Deutschlands Palästina Europa
116
Da liessen sie den Kaiser
Zum sichern Thor hinaus,
Sie selber aber brachen
Um Mitternacht in’s Haus.
Nicht wusste ja die böse,
Dass er gerettet war.
Gerettet durch die Treue,
Die litt den Opfertod,
Die kühn die Brust den Mördern
Für ihren Kaiser bot.
Sie traten vor den Ritter,
Der dort als Kaiser schlief;
Sie stiessen ihre Schwerter
Ihm in das Herz so tief.
Mit Kränzen deutscher Eichen
Schmück' ihn mein Vaterland!
Hartmann von Siebeneiche»,
So ist der Held genannt.
„Nun fahre heim du Kaiser!“
So rief die wilde Schaar.
Der Kampf mit den lombardischen Städten und ihr Uebermuth
hatten allerdings den Kaiser zu mancher Härte verleitet. Mit Stricken
um den Hals und Schwertern auf dem Nacken mußten die Consuln
und Adeligen von Mailand im Lager der Deutschen erscheinen und
den Kaiser fußfällig um Frieden bitten. Er setzte strenge Vögte über
sie und verfuhr überhaupt mit einer Willkür, die mehr an einem
alten Kaiser Roms, als an einem christlichen Fürsten zu entschul-
digen gewesen wäre. Selbst die Rechte der Kirche griff er an und
gerieth darüber mit dem Papste in Streit und endlich sogar in den
Bann. Wie aber ein edles Herz wohl fehlen, aber nicht lange in
Fehlern verharren kann, so erkannte auch Friedrich bald sein Un-
recht. Er suchte sich mit der Kirche auszusöhnen und wandte sich
deshalb an den Papst Alexander mit der Bitte, ihn vom Banne zu
lösen. Er hatte es tief empfunden, daß außer der Kirche kein Heil
sei, und dies hatte den Löwen zum Lamme umgewandelt. Der Papst,
edel und groß denkend, wie Friedrich selbst, äußerte, daß ihm Nichts
erwünschter sei, als von dem größten Helden der Christenheit den
Frieden zu empfangen, nur bitte er, daß er ihn auch den Lombarden
gewähre. Es geschah, und die ganze Christenheit frohlockte über die
Versöhnung ihrer Herrscher und das Ende des unseligen Zerwürfnisses.
Mit einem Male erscholl aus dem Morgenlande der Schreckens-
ruf, daß das heilige Kreuz, der König von Jerusalem und der Groß-
meister der Tempelritter in die Hände der Feinde gefallen, das
Christenheer zernichtet und Jerusalem durch den Sultan Saladin
erobert worden sei. Diese Iammerbotschaft ergriff alle christlichen
Gemüther, und Kaiser Friedrich rüstete sich unverzüglich zu einem
Kreuzzuge. Als man ihn bat, seines Alters eingedenk zu seyn und
seinen Sohn an die Spitze des Heeres zu stellen, erwiderte der alte
Held unwillig: „Ich habe, trotz meiner sieben und sechzig Jahre,
44. Der dritte Areuzzug.
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Extrahierte Personennamen: Hartmann_von_Siebeneiche» Friedrich Friedrich Alexander Alexander Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
195
man in derselben Richtung heftiges Hundegebell und darauf einen
Schuß, dem sogleich ein lautes Geschrei folgte. Ein Korporal mit
Mannschaft eilte unverzüglich dahin. Bald kamen sie auf dem Hü-
gel an, wo der Posten ausgestellt war, aber er war nirgends zu
sehen. „Ich sehe etwas Weißes," rief der Korporal, „das ist ein
Beduine!" Sogleich feuerte er sein Gewehr darauf ab, und ein
Araber wälzte sich, von der Kugel getroffen, am Boden. Man
suchte Bachard und fand bald seinen Leichnam ohne Kopf am Ab-
hange des Hügels liegen. Während die Soldaten diesen voll Ent-
setzen betrachteten, erregte ein furchtbares Bellen am Fuße des Hü-
gels ihre Aufmerksamkeit. Sie sahen Azor, den Hund Bachards,
der sich wüthend auf ciuen Araber stürzte, der ihrer Aufmerksamkeit
entgangen war. Der Araber wehrte sich mit seinem Schwerte gegen
den Hmh und hatte ihm bereits mehrere Wunden beigebracht; allein
dieser schien sich wenig um Schmerz und Tod zu bekümnlern und
erneute muthig seine Angriffe. Mit einem verzweifelten Satz packte
er den Araber an der Kehle und warf ihn zu Boden. Jetzt mischte
sich das Schmerzensgeschrei des Mannes mit dem wüthenden Heulen
des Hundes. Man sah Beide übereinander rollen; bald war der
Araber wieder oben und zerfleischte mit seiner Waffe seinen Gegner;
bald war der Hund Sieger und sein Stöhnen ward unterbrochen,
indem er sich-bemühte, das Gesicht und die Kehle des Beduinen zu
zerreißen. Die Soldaten wollten dem Kampf ein Ende machen und
den Araber todten; schon waren die Hähne gespannt, und.sie schlu-
gen auf die hartnäckig Kämpfenden an, als der Korporal ausrief:
„Halt, es ist Azor, ihr könntet ihn todten; mit dem Bajonette, Ka-
meraden, .und Tod dem Beduinen!" Trotz ihrem schnellen Laufe
fandett sie, als sie hinkamen, den Araber ausgestreckt und ohne Leben.
Azor, obgleich furchtbar verwundet, zerrte beständig an einem Zipfel
des sorgfältig zusammengeknüpften Burnus des Arabers; er zerriß
ihn endlich, und der Kops Bachards, seines Herrn, rollte daraus hervor.
Azor, vom Blutverlust erschöpft, sank an der Seite seines über-
wundenen Gegners nieder. Ein junger Militärarzt, der sich bei der
Mannschaft befand, untersuchte seine Wunden; er fand sie nicht tödt-
lich,' aber die Pfote, die ganz zerquetscht war, mußte abgelöst wer-
den. Bachard wurde an dem Orte, wo er gefallen war, begraben.
Bald war er vergessen, und viele Truppen hatten indessen ihren
Aufenthalt in Algier gewechselt, nur Azor war von der Stadt nicht
wegzubringen. Jeden Abend, kurz vor 10 Uhr, gieng er aus und
legte sich auf das Grab seines ermordeten Herrn vor dem entfern-
testen Vorposten nieder. Um Mitternacht schlich er sich niederge-
schlagen auf seinen drei Pfoten nach Hause. Die Schildwachen
kannten ihn wohl; sie nannten ihn Azor, den Invaliden, und
alle präsentirten vor ihm das Gewehr.
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395
Kreuztod zur Versöhnung der Welt mit Gott erduldet hatte. Jeder
Ort dieses Landes war dem Christen heilig. Darum war es schon
frühe, besonders seit Konstantin zur christlichen Religion sich be-
kannte, Sitte, nach Palästina zu wallfahrten, um an den heiligen
Orten zu beten oder seine Sünden zu beweinen. Diese Wallfahrten
dauerten auch unter der arabischen Herrschaft fort. So blieb es bis
in's elfte Jahrhundert, wo die seldschukischen Türken die Araber un-
terjochten und Herren der heiligen Stadt wurden. Nun begann eine
harte Zeit für die Christen des Morgenlandes und die Wallfahrten
nach dem heiligen Grabe wurden lebensgefährlich. Man mißhan-
delte, beraubte und erschlug die Pilger, gestattete ihnen nur unter
Bezahlung einer hohen Geldsumme den Zutritt zu den heiligen Or-
ten und entehrte dieselben auf alle Weise.
Die erste Nachricht von dem großen Gräuel, den die Türken
an den heiligen Orten verübten, und von den abscheulichen Miß-
handlungen der Christen brachte ein frommer Pilger, Peter von
Amiens, nach Europa. Mit einem Briefe des Patriarchen zu
Jerusalem versehen, kam er nach Nom zum Papst Urban Ii. und
erzählte ihm in ergreifenden Worten die große Noth der Christen
im heiligen Lande. Urban gebot ihm, überall umherzureisen und zu
erzählen, was er im heiligen Lande gesehen und gehört habe. So
durchzog Peter im Pilgergewande, auf einem Esel sitzend, ganz Ita-
lien und Frankreich und schilderte mit Begeisterung und unter vielen
Thränen die Leiden der Christen in Palästina und erregte dadurch
eine große Bewegung unter dem Volke. Nun kam Urban im Jahre
1095 nach Clermont in Frankreich, wo sich auf seinen Ruf eine
große Anzahl Geistlicher, Ritter und Volks gesammelt, um einen
Kreuzzug zu veranlassen. Nachdem Peter von Amiens vor der un-
absehbaren Menge unter freiem Himmel die Leiden der Christen ge-
schildert hatte und alles Volk laut weinte, da erhob sich Urban und
sprach zur Versammlung: „Ich will sie nicht trocknen die Thränen
der Wehmuth. Lasset uns weinen, meine Brüder! Aber wehe uns,
wenn wir nichts als diese Thränen hätten, wenn wir den Gedanken
ertragen könnten, das Erbe des Herrn noch länger in den Händen
der Ruchlosen zu lassen. Jenes Land, das wir mit Recht das hei-
lige nennen; jener Hügel, wo Christus für unsere Sünden blutete;
jenes Grab, aus welchem er als Sieger des Todes erstand; jener
Berg des Friedens, von dem er hinauf gen Himmel fuhr; jene hei-
ligen Mauern, welche die Versammlung der Apostel umschlossen
und wo das kostbare Blut der seligen Märtyrer vergossen wurde:
sollen wir als Feige und'verworfene sie noch länger in den räuberi-
schen Händen eines ruchlosen Volkes lassen? Von Zion ging das
Wort des Herrn aus. Auf denn, ihr Bäche, die ihr von daher
fließet, kehret zu euerer Quelle zurück! — Soll sich denn Gott an-
dere Krieger erwecken? — Nein, o nein, ihr werdet aus euerer
Trägheit erwachen! Waffnet euch also wider den Feind des chriftli-
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390
Wahrheit seiner Religion. Seine Anhänger mehrten sich und bald
hatte er ganz Arabien für sich gewonnen. Nun drang er mit seinen
begeisterten Arabern in die Besitzungen des griechischen Kaisers und
eroberte bedeutende Länderstrecken, deren Bewohner großentheils mit
Anerkennung seiner Oberherrschaft auch seine Religion annahmen.
Muhamed starb 632 und wurde zu Medina in einem Sarge von wei-
tem Marmor begraben. Muhameds Nachfolger, Kalifen genannt,
vergrößerten ihr Gebiet durch rasch auf einander folgende Siege.
So kam Palästina, Phönizien, Aegypten, Persien, sogar Spanien
unter die Botmäßigkeit der Muhamedaner. Die Araber haben
sich in Künsten und Wissenschaften Vortheilhaft ausgezeichnet. Die
Dichtkunst, Sternkunde, Medicin und andere Wissenschaften machten
durch sie große Fortschritte. Handel, Schifffahrt, Gewerbe blühten
unter ihrer Herrschaft, hörten aber unter der Herrschaft der Seld-
schuken oder Türken, welche dieses edle Volk unterjochten, wieder auf.
Ausbreitung des Christenthums in Deutschland.
Durch die Römer und später durch die Franken war das
Christenthum am Rhein und in den angränzenden Ländern verbreitet
worden. Zu Mainz, Köln, Bonn, Trier, Worms, Speyer und
Straßburg gab es Kirchen und Bischöfe. Aber über dem Innern
von Deutschland lag noch heidnische Finsterniß. Da kamen aus
England und Irland eifrige Glaubensboten und predigten mit Le-
bensgefahr die Religion Jesu. So Severin in Tyrol und
Steyermark, C o l u m b a n in Schwaben , Gallus, der Stif-
ter des Klosters St. Gallen, in der Schweiz, Kilian in
Franken und Thüringen, E m m e r a n und R u p r e ch t in Bayern,
W i l l i b r o r d in Friesland.
Der ausgezeichnetste Bekehrer der heidnischen Deutschen ist aber
Winfried, später Bonifaeius (Wohlthäter) genannt. Er war
684 zu Kirton in England geboren und für die Sache Christi schon
frühe mit großer Begeisterung erfüllt. Nachdem seine Bekehrungs-
versuche unter den Friesländern mißlungen waren, wendete er sich
zu den übrigen Deutschen. Papst Gregor Ii. gab ihm die Vollmacht
zur Bekehrung dieser Heiden. In der Gegend von Amöneburg in
Hessen predigte er nun das Evangelium und gewann bald die Her-
zen der Hessen für die neue Religion. Dann reiste er 723 wiederum
nach Nom, wo er zum Bischof geweiht wurde und den Namen B o-
nifacius erhielt. Hier versprach er dem Papste, die bekehrten
Deutschen in steter Einheit mit dem Oberhaupte der Kirche zu erhal-
ten und reiste mit ausgedehnten Vollmachten und Empfehlungen
des Papstes und mit einem Schutzbriefe Karl Martells abermals
nach Deutschland. Mit neuer Begeisterung predigte er das Christen-
thum und fällte bei Geismar in Hessen die alte Eiche, welche dem
Donar geweiht war, zum großen Entsetzen des umstehenden Heiden-
volkes, welches erwartete, der Gott werde den unerhörten Frevel
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Extrahierte Ortsnamen: Medina Persien Spanien Deutschland Christenthum_am_Rhein Mainz Bonn Worms Speyer Deutschland England Irland Tyrol Schwaben Gallus Schweiz Bayern Friesland England Christi Amöneburg Hessen Hessen Deutschland Hessen
215
gen Getreuen in den dichtesten Haufen der hereinbrechenden Osmanen,
macht Alles, was er mit seinem Schwert erreichen kann, nieder, und
hält, mit Wunden bedeckt, fast allein noch den Kampf eine Weile aus.
Er wollte das Unglück seines Hauses und die Schmach dieses Tages
nicht erleben, und wich keinen Fuss breit von der Stelle. Nur hätte er
gern den Todesstoss nicht von den Schwertern dieser Ungläubigen, son-
dern von der Hand eines Christen gehabt. „Ist kein Christ hier?" rief
er in wehmüthiger Verzweiflung, als ihm das Blut schon in Strömen von
Händen und Füssen floss und seine Getreuen rund um ihn herum als
Leichen den Boden bedeckten; „ist keiner hier, der mir das Haupt ab-
schlage?" — Da dringen drei Janitscharen zu gleicher Zeit auf ihn ein;
der eine zerfleischt ihm von vorn das Gesicht, der zweite spaltet ihm
das Haupt und der dritte gibt ihm den Todesstoss in den Nacken. Da
sich der Kaiser vorher der Zeichen seiner Würde entkleidet hatte, so
blieb sein Körper von Niemand erkannt, unter den Leichen der übrigen
Erschlagenen liegen. Das war das Ende des letzten Beherrschers des by-
zantinischen Reiches, Constantin Dragases, welcher damals kaum
sein vierzigstes Jahr überschritten hatte und schon durch die Art, wie er
das Unglück seines Reiches, welches, gleichsam das traurige Erbtheil der
Jahrhunderte, auf ihm lastete, zu ertragen wusste, den Bessern seines
Stammes würdig zur Seite steht. Im Innern der Stadt dauerte indessen
das Blutbad fort. Denn die Osmanen machten anfangs in dem Glauben,
dass die Besatzung wenigstens So,000 Mann stark gewesen sein müsse,
Alles nieder, was ihnen begegnete. Erst als sie ihres Irrthums inne
wurden, zogen sie es vor, lieber die ganze Bevölkerung in Fesseln zu
schlagen und in die Sclaverei zu schleppen. Wer in den Häusern oder
in den Strassen den Osmanen in die Hände fiel, wurde auf der Stelle
in Fesseln geschlagen und in s Lager geschickt. Eine ganze Prozession
von Männern und Weibern, welche, vielleicht kaum ahnend, dass der
Untergang der Stadt so nahe sei, eben in Festkleidern und mit Wachs-
kerzen ausgezogen war, um das Fest der heiligen Theodosia, welches auf
den 29. Mai fiel, feierlich zu begehen, theilte dieses Schicksal. Im Gan-
zen sollen mehr als 60,000 Seelen zu Sclaven gemacht worden sein.
Nur wer nach den Schiffen oder nach Galata entkommen konnte, rettete
sich für den Augenblick. Jedoch war dieses Glück nur Wenigen be-
schieden; denn alle Schiffe ergriffen auf die Kunde von dem Falle der
Stadt in solcher Verwirrung die Flucht, dass mehrere Fahrzeuge, auf
welchen sich in der ersten Bestürzung Alles zusammengedrängt hatte,
noch in der Nähe des Hafens unter der Last ihrer Ladung untergingen;
die meisten erreichten fast leer das offene Meer. Erst in den Mittags-
stunden des 29. Mai, als sein Heer der Stadt schon völlig Meister war,
hielt Mohamed, umgeben von seinen Vezieren und Leibwachen, lauter Leu-
ten von herkulischem Körperbau, seinen Einzug in Konstantinopel. Nicht
ohne Staunen weilte er in den prachtvollen Räumen der Sophienkirche,
liess die noch mit der Zerstörung dieses Heiligthums beschäftigten Sol-
daten daraus vertreiben und verrichtete sein Gebet auf dem Hochaltar.
Dann war seine erste Sorge, sich nach dem Schicksale des Kaisers zu
erkundigen. Dennoch ging das Gerücht, er sei nicht im Kampfe gefal-
len, sondern entweder noch in der Stadt verborgen oder mit den Schif-
fen entkommen. Der Leichnam ward aber bald, noch an der kaiserli-
chen Fussbekleidung erkenntlich, von zwei Janitscharen, welche ihn nie-
dergehauen haben wollten, an dem Orte gesunden, wo er gefallen war,
und das bluttriefende Haupt zu den Füssen des Sultans niedergelegt.
Er liess es den Tag über auf einer Säule zur Schau ausstellen, am
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Extrahierte Personennamen: Constantin_Dragases Constantin Mohamed
235
neuen, zum unsterblichen Leben auferstand. Die erwähnte Königin
Sancha hatte auf dem Berge Sion ein Kloster bauen lassen und für
zwölf Priester und drei Laienbrüder eine Schenkung ausgesetzt. —
Allein die Wuth der Muhamedaner hatte nur geschlummert. Im
Jahre 1391 wurden alle Ordensglieder von den Türken ermordet.
Mehrfach fielen Mitglieder des Ordens als Schlachtopfer der Tür-
ken. Im Jahre 1561 wurden sie gänzlich vom Berge Sion ver-
trieben ; doch konnten sie in der Stadt bleiben. Ja es gelang ihnen
sogar später, das Kloster und die Kirche des heiligen Erlösers den
Türken abzukaufen. In Folge der Glaubensspaltung in Europa
verschwand das heilige Land fast gern;, aus der Erinnerung des
Abendlandes. Aber die treuen Wächter, obgleich verlassen von
aller Welt, verließen doch nicht das ihnen anvertraute Grab des
Herrn. Sie widerstanden ebenso der unbarmherzigen Gleichgültig-
keit der Christen, wie der erbarmungslosen Grausamkeit per Tür-
ken. Sie sammelten vielmehr die wenigen zerstreuten Gläubigen im
heiligen Lande, errichteten Klöster, Spitäler und Schulen und
übten Gastfreundschaft an den vielen, meistens armen Pilgern, die
das heilige Land besuchten. Während die Türken sie nach und
nach in Ruhe ließen, entstanden ihnen allmälig neue und gefähr-
lichere Feinde: es waren die verschiedenen christlichen Secten, die
ihnen das rechtmäßige Eigenthum des heiligen Grabes streitig
machten. Aeußere Gewalt und Gold stand ihnen im Ueberfluß zu
Gebote: mit Geld konnten sie bei den türkischen Behörden mehr
ausrichten, als die Söhne des heiligen Franziscus mit ihrem durch
Jahrhunderte verjährten Rechte und ihrer Gottes- und Nächsten-
liebe. Doch verlassen und sich aufopfernd, immer mehr verlassen
von dem christlichen Europa, das in das Jahrhundert der Auf-
klärung eingetreten war, mußten diese armen Mönche mit ihrem
guten Rechte vor dem Gewichte des Goldes weichen.
In diesem Jahrhundert kam ein schreckliches Unglück über die
Wächter des heiligen Grabes und damit über die Christenheit. Gott
ließ es in seinen unerforschlichen Rathschlüssen zu, daß die Kirche
des heiligen Grabes am 12. Oktober 1808 von den Flammen ver-
zehrt wurde. Da aber die Mittel zum Neubau der heiligen Grabes-
kirche meistens aus den Händen der Griechen und Russen flössen, so
suchten diese auch mit scheinbarem Rechte die Katholiken zu ver-
drängen. Ehedem die einzigen Besitzer des größten Theiles der
heiligen Orte, sahen sie sich nun genöthigt, diesen Schatz von un-
nennbarem Werthe, dessen Besitzer sie so lange Zeit allein gewesen,
und den sie mit Aufopferung ihres Blutes und Lebens gegen die
Türken allein vertheidigt hatten, mit Fremden zu theilen; ja sie
stehen in Gefahr, von den Fremden sogar aus diesem Mitbesitze
verdrängt zu werden. Die Lage der katholischen Kirche in der heili-
gen Stadt ist über allen Ausdruck traurig geworden.
Nach der Deutschen Volkshalle.
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Die Franken.
Der Stifter des großen Frankenreichs ist Chlodwig, Kö-
nig der Franken. Dieses Volk wohnte anfangs am Niederrhein,
eroberte aber bald das nördliche Gallien. In der Schlacht bei
Zülpich gegen die Alemannen gelobte der heidnische Chlodwig,
dessen christliche Gemahlin Chlotilde ihn mit dem Christenthume be-
kannt machte, Christ zu werden, wenn Christus ihm den Sieg zu-
wende. Er besiegte die Alemannen und ließ sich in demselben Jahr
noch zu Rheims mit 3000 Franken vom heiligen Bischof Remigius
taufen und zum König salben. Bei seinem Tode in Paris, seiner
Hauptstadt, waren die Franken Herren über ganz Gallien und einen
großen Theil von Deutschland. Nach Chlodwigs Tode regierten
meistens grausame und schwache Könige über das Frankenvolk.
Man nennt diese Regentenlinie Merowinger von Merwei, Chlod-
wigs Ahne. Die Trägheit der meisten Regenten überließ die ganze
Sorge für das Reich ihrem ersten Beamten, dem sogenannten
Major Domus (Hausmaier, Großmeister). Dieses Amt bekleidete
gegen das Ende der Merowingischen Herrschaft der kluge P i p i n
von Heriftall; sein Sohn Karl Martell, d. h. Hammer, wel-
cher im Jahre 732 die Araber bei Tours auf das Haupt geschlagen
und sie für immer über die Pyrenäen gejagt hatte, war der Vater ,
Pipin des Kleinen, des letzten Major Domus der Merowinger.
Dieser entsetzte den schwachen König seines Thrones und nahm als
erster Karolinger, also genannt von seinem berühmten Sohne
Karl dem Großen, die Würde eines Königs der Franken an und
ließ sich vom heiligen Bonifacius zum Könige salben. Er ließ
diesen seinen Schritt durch den Papst bestätigen, der ihm auf seine
Frage, ob Derjenige König wäre, der den Namen eines Königs
trage, oder Derjenige, der das Volk regiere? erwiederte, daß nur
der letztere König sei.
Die M u h a m e d a n e r, welche Karl Martell aus dem
Frankenlande verjagte, haben ihren Namen von dem falschen Pro-
pheten Muhamed, der 569 zu Mekka, einer Stadt in Arabien,
geboren wurde. Seine Jugend brachte er auf Reisen als Kaufmann
zu, wo er Gelegenheit hatte, die verschiedenen Religionen der Erde
kennen zu lernen. Er wollte nun seine religiöse Ansicht, die er sich
aus den verschiedenen Religionen zusammengestellt hatte, seinen
Landsleuten, die großentheils noch in heidnischer Finsterniß lebten,
mittheilen. Nachdem er sich deßhalb in einer Höhle und in stiller
Einsamkeit zu seinem Berufe vorbereitet und gesammelt hatte, trat
er als Verkündiger einer neuen Lehre auf, fand aber in seiner Vater-
stadt so wenig Beifall, daß er von Mekka nach Medina flüchten
mußte. Dieses geschah am 16. Juli im Jahre 622, nach welcher
Flucht, Hedschra genannt, seine Anhänger noch jetzt ihre Jahre
zählen. Die Einwohner von Medina hingen ihm an und durch sie
und sein Schwert überführte er auch Mekka's Bewohner von der
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Extrahierte Ortsnamen: Niederrhein Gallien Rheims Paris Gallien Deutschland Chlodwigs Merowingischen Mekka Mekka Medina Medina
— 234 r*
Todeskampfes nahete, sprach er unter Seufzern: „Herr Jesu! Herr
Jesu! richte mich nicht! Ich glaube an Dich! Du bist wahrhaftig
der Sohn Gottes! Erbarme Dich meiner nach Deiner großen Barm-
herzigkeit." Dann rief er laut: „Herr Jesu! komme, komme bald!"
und verschied. Es war eines Sonntags Morgens nach fünf Uhr,
den 19. Oktober 1845. He Pp.
35. Das heilige Grab.
Die Frage des heiligen Grabes ist in der Gegenwart eine
Weltangelegenheit geworden. — Um aber einzusehen, wie es mit
dieser Angelegenheit heute stehe, wie sie in die Lage gekommen sei,
in der sie sich zur Stunde befindet, warum heutzutage die katholische
Kirche in der höchsten Gefahr schwebe, das unschätzbare, durch so
Viele Jahrhunderte von ihr bewahrte Grab des Herrn nebst der
Stätte seiner gnadenreichen Geburt im Fleische, und den übrigen
Orten, die durch sein Wandeln in Knechtsgestalt Heiligthümer der
Christenheit geworden sind, unwiederbringlich zu verlieren — um
dieses einzusehen, müssen wir unsere Blicke auf die Vergangenheit
des heiligen Grabes richten.
Als die Herrschaft der Christen im heiligen Lande sich zu ihrem
Ende neigte, wurden die Söhne des heiligen Franziscus von Assisi
als Wächter des heiligen Grabes bestellt. Als Jerusalem — zum
zweiten Male — in die Hand der Muhamedaner fiel, als Pto-
lemais, das letzte Bollwerk der Christenheit im heiligen Lande,
verloren ging — 1291, wurden alle anwesenden Mitglieder des
Ordens des heiligen Franziscus ermordet. Allein die Marter-
krone, die dieselben sich erworben, lockte und zog neue Or-
densglieder in das heilige Land, um zu wachen, um zu sterben
an dem Grabe des Herrn. Die Muhamedaner, welche allmälig
einsahen, daß diese armen Männer mit keinen Eroberungsplanen
sich trugen, welche Zeugen ihrer Frömmigkeit, Demuth, Sanft-
muth und Armuth waren, ließen dieselben gewähren; sie räumten
ihnen sogar eine Wohnung auf dem Be ge Sion und einen Platz
beim heiligen Grabe ein. Der König Robert von Sicilien und
seine Gemahlin Sancha kauften die heiligen Orte um eine große
Summe dem Sultan von Aegypten ab, um sie gegen die Muha-
medaner zu schützen. Papst Clemens Vi. übertrug durch seine Bulle
vom 21. November 1342 den Franziseanern für alle Zeiten die
Wache des heiligen Grabes. M^ alé fünf Jahrhunderte sind
seitdem verflossen, zahlreiche Geschlechter und Völler sind seitdem
ausgestorben. Aber das unsterbliche Geschlecht der Söhne des
heiligen Franziscus ist nicht ausgestorben; es hat durch alle Tage
und alle Nächte der letzten fünf Jahrhunderte die treue Wache am
Grabe des Herrn gehalten — und es hat mit zahlreichen Blut-
zeugen dieses heilige Grab umwallt, die an der Stelle freudig ihr
Leben hingegeben, wo ihr Herr und Meister aus dem Tode zum
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